Orgelkunde

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Was ist eine Orgel?

Die Orgel ist gewissermaßen ein Blasinstrument, das man von Klaviaturen aus spielt. Spieler oder Spielerin müssen drei Notenzeilen gleichzeitig lesen (rechte Hand, linke Hand und Füße) und können dann als einzige Musiker ein Trio spielen, bei dem jede der drei Stimmen anders klingt.

Um eine Orgel in ihren Teilen besser verstehen zu können, vergleicht man sie mit dem Körper einer Person:

Kleid und Haut
ist das Gehäuse. Es umschließt schützend die Innenteile, zum andern dient es der Klangsammlung und Resonanz.

Gesicht
in der Fachsprache "Prospekt" genannt, ist die kunstvoll gestaltete Vorderfront, an der sich der innere "Werk"-Aufbau ablesen lässt.

Gehirn
ist der Spieltisch, der Arbeitsplatz des Organisten. Von hier aus wird die Orgel "gesteuert" mittels Tastenreihen (drei für die Hände = Manual, eine für die Füße = Pedal) und Registerzüge, durch welche die einzelnen Pfeifenreihen (Register) ein- und ausgeschaltet werden.

Lunge
ist das Gebläse, bestehend aus dem Windmotor, der die nötige Luftmenge ansaugt, und aus "Bälgen", in weiche diese Luft geschleudert und auf einen bestimmten Druck gebracht wird.

Körper
der Orgel sind die "Windladen", flache, rechteckige Holzkästen, oben mit Löchern, auf denen die Pfeifen stehen. Im Innern sitzen Ventile, die von den Tasten aus gesteuert - die Luft in die Pfeifen strömen lassen, weiche dann ertönen.

Nervensystem
ist die Verbindung von den Tasten zu den Ventilen, die sogenannte "Traktur". Sie kann elektrisch sein, dann ist sie - da einer Maschine gleich und von einem "Maschinisten" bedient - unkünstlerisch und daher für die Musik untauglich. Deshalb ist sie meist mechanisch, das heißt, die musikalische Absicht wird mittels kunstvoller Hebelübersetzungen getreulich und ohne Verzug zu den Pfeifen transportiert.

Gliedmaßen
sind die Pfeifen, in Reihen zusammengestellt zu "Registern". Die Kunst des Orgelbauers besteht darin, jedes Register so zu "mensurieren" (=abmessen) und zu "intonieren" (= einstimmen), dass es, für sich allein, brauchbar ist, schön klingt und trotzdem bereit ist, mit anderen zusammen eine neue Klangfarbe zu ergeben.

Herz und Seele
sollte und kann nur der sein, der die Orgel spielt, der diese "Person" lebendig werden und in all ihrem Klangreichtum aufklingen lässt. Wahrlich eine "Herzens"-Angelegenheit!
Orgelbau ist Kunsthandwerk. Das meiste muss auch heute noch in Handarbeit in Tausenden von Arbeitsstunden hergestellt werden. Drei Viertel der Kosten sind Lohnkosten. Verständlich, dass eine Orgel im wahrsten Sinn mit zu den "Lobopfern" einer Gemeinde gehört, die in ihrer Verantwortung für die Notstände in der Welt im Gottesdienst - nicht zuletzt durch die Musik! ihre rechte Zurüstung für den Dienst am Nächsten erhält.

Diese Beschreibung stammt vom Orgelsachverständigen Walther Haffner (1925-2002) und ist in zahlreichen Festschriften der von ihm betreuten Orgelbauten zu finden.